Die Super-Strat
Meines Wissens weltweit die einzige Gitarre mit
vier Standard-Pickups + Variax-Electronic + Roland GK kompatiblem Output in EINER Strat …
LINKS: meine fertige Super-Strat ...
Die Vorgeschichte
Nachdem ich schon seit vielen Jahren an diversen E-Gitarren Ein- und Umbauten vorgenommen hatte, beschloss ich Anfang 2010, mir endlich meine persönliche Idealgitarre selbst zu bauen – und zwar ohne Kompromisse im Bezug auf Technik oder Preis.
Holz und Hardware
Vom Body her gab es für mich bei den „Brettgitarren“ sowieso keine Alternative: mir liegt die klassische Strat-Form am besten. Als Body-Holz bevorzuge ich Erle gegenüber dem etwas im Ton helleren Ahorn.
Beim Griffbrett war ich immer auf der Suche nach möglichst breiten Hälsen, damit ich bei Bedarf auch einmal kurz Fingerpicking darauf spielen kann. Da eine Sattelbreite von 1¾ Zoll (44,5 mm) nicht standardmäßig bei den üblichen europäischen Händlern erhältlich war, beschloss ich, den Hals bei Warmoth in der USA anfertigen zu lassen. Das Finish mit transparentem und mattem Nitrolack bestellte ich gleich mit – ich mag es lieber als die hochglanzlackierten Hälse. Als spezielle Ausstattung kamen SS6105 – Stainless Jumbo-Bünde und ein GraphTech TUSQ – Sattel dazu. Der Hals kam dann nach ca. 4 Wochen in 1a-Qualität in wunderschönem Vogel-Ahorn direkt von der Pazifikküste.
Durch das Warmoth-Jubiläum mit einigen Sonderangeboten und den günstigen Dollarkurs bestärkt, bestellte ich neben Hals und Body aus Alder (=Erle) auch das schwarz-grau-melierte Pickguard („black pearl“) und die Schaller-Locking-Mechaniken sowie einige Kleinteile mit.
Bitte beachten: Bei Neuteilen aus der USA kommen nicht nur der Zoll (2,7%) plus Gebühren sondern auch die 20% Mehrwertsteuer für Österreich dazu.
Der Rest der Hardware kam hauptsächlich von Thomann Deutschland. Eine komplette Stückliste mit den Bestellnummern und den Kosten ist weiter unten zu finden.
Die Pickups
Bei der Pickup-Bestückung wollte ich ebenfalls mehr keine Kompromisse eingehen. Nachdem ich schon lange mit Gitarren herumexperimentiert hatte, bei denen bis zu 12 verschiedene Pickup-Kombinationen auf einer Gitarre möglich waren, habe ich irgendwann erkannt, dass ich Live sowieso immer nur 3 unterschiedliche Grundsounds verwendet habe:
- 1: Jazzige Sounds von einem Hals-Humbucker, Tonregler halb zu
- 2 und 3: Zwei unterschiedliche Vintage Strat-Sounds mit echten Fender Singlecoil Pickups,einmal Neck-PU+Middle-PU und das andere mal Middle-PU+Bridge-PU.
Dabei muss der Middle-PU „reversed“ gewickelt sein. Das ergibt die von mir so geliebten glockig-feinen - Vintage-Strat-Sounds ohne aggressive Höhen, die ich weder mit brummfreien Kinman-, noch mit EMG- oder Lace-Sensor – Pickups genau so erreicht habe (ich habe wirklich schon alles ausprobiert …)
Daher wählte ich eine Schaltung, mit der ich mittels eines 5-Weg-Super-Switches (von Fender) einfach die gewünschten Kombinationen anwählen kann (LINKS zu den Details siehe ganz unten auf dieser Seite).
Um den Humbucker ohne Platzprobleme zwischen die normalen Strat-Singlecoils einbauen zu können, wählte ich einen relativ schmalen Seymour Duncan Humbucker, den Little 59, der ganz passabel den Sound eines 59er Gibson PAFs imitiert. Dieser Pickup lässt sich zwar prinzipiell auch splitten, er hätte aber als Single-Coil in Kombination mit den beiden hinteren Strat-Pickups nicht die gewünschten Sounds geliefert – außerdem funktioniert die Brummunterdrückung nur bei völlig gleich aufgebauten Pickups zufriedenstellend – deswegen musste der Fender Neck-Single-Coil zusätzlich zum Humbucker drinnen bleiben.
Die drei Singlecoils sind übrigens original Fender FAT 50 – Vintage Typen.
Virtuelle Gitarren inklusive: Variax-Elektronik + 13pin – Roland GK-Output !!!
Da ich schnell auch verschiedene Open-Tunings auf der Gitarre zur Verfügung haben wollte, gab es nur zwei vernünftige Möglichkeiten: die Signale der 6 Piezo-Reiter in der Strat-Bridge
- einer eingebauten Variax-Elektronik zuzuführen oder
- über eine 13polige Roland-GK-kompatible Buchse nach außen in z.B. ein Roland VG-99 einzuspeisen.
Die erste Variante hatte ich schon einmal mit Erfolg in eine Strat eingebaut (siehe meinen Bericht „Umbau Variax in eine US-Standard-Strat“ hier). Um absolut flexibel zu sein, entschied ich mich bei diesem Projekt dazu, einfach beide Varianten einzubauen!
Die Piezo-Pickups in den Saitenreitern von L.R. Baggs kannte ich schon von meinen Variax-Gitarren. Sie arbeiten dort seit einigen Jahren sehr zuverlässig.
Die in Europa leicht erhältliche X-Bridge von L.R. Baggs (eine Strat-Tremolo-Einheit mit Piezo-Pickups) mischt aber leider alle 6 Piezo-Signale durch eine Parallelschaltung direkt an der Bridge zu einem einzigen „Akustik-Signal“ zusammen.
Mit ein wenig Fräs- und Lötarbeit lassen sich die Signale aber leicht wieder trennen (siehe die Bilder unten).
Um die 6 Signale auch getrennt zu verstärken, gibt es z.B. von GraphTech das GHOST - Hexpander-System, welches genau das tut und wo sogar die 13 polige DIN-Buchse mit Befestigungsplatte mitgeliefert wird, die sonst sehr schwer erhältlich ist (siehe unten). Diese Elektronik wird auch in vielen GODIN-SA-Gitarren eingebaut. Die Kombination der Baggs-Piezos mit der Ghost-Elektronik ist prinzipiell kein Problem – die Physik ist ja bei allen Piezosystemen dieselbe.
Da die Variax-Elektronik nicht getrennt von der Gitarre verkauft wird und das preiswerte 300er Modell (das übrigens dieselbe Elektronik wie die teurere 600 enthält) Anfang 2010 nicht mehr neu erhältlich war, ersteigerte ich in Ebay eine gebrauchte rote Variax 300 um 330.- Euro. Hals und Body habe ich gleich in ebay wieder weiter verkauft.
Die Elektronik wurde komplett ausgebaut und so wie bei meinem ersten Projekt modifiziert (Details siehe dort).
Die notwendigen Ausfräsungen am neuen Warmoth-Body wurden mittels einer vorher angefertigter Schablone und einer Bosch-Oberfräse herausgearbeitet. Feine Ausfräsungen und Korrekturen machte ich mit einem kleinen Handfräser. Dazu wurde natürlich der Body zum Schutz vorher komplett mit Malerkrepp abgeklebt.
Anschließend wurden alle Ausfräsungen mit kupferhaltigem EMV-Sprühlack ausgesprüht und die kritischen Bereiche unter der Elektronik und den Pickups zusätzlich mit Kupferfolie bzw. die größeren Flächen mit selbstklebender Alufolie beklebt, um eine optimale Abschirmung zu erzielen. Einige Bereiche am Korpus mussten allerdings nach den Fräsarbeiten mit schwarzem Sprühlack nachlackiert und mit Polierpaste auf Glanz gebracht werden.
Die Schaltung
Die Elektronik und damit die gesamte Verdrahtung sind natürlich um einiges komplizierter als in einer „normalen“ Gitarre. Der Schaltplan dazu ist ganz unten zu finden.
Der 5-way-switch arbeitet einerseits als Umschalter für die magnetischen Pickups, wobei in der vordersten Position im Unterschied zu einer „normalen“ Strat nur der SD-Humbucker mit einer zusätzlichen Höhenabsenkung (für die jazzigen Sounds) aktiv ist. Andererseits wählt er auch in der Betriebsart „Variax“ zwischen 5 Modellen einer Bank aus.
Ein 4-stelliger Drehschalter mit „Chicken-head“-Knopf schaltet zwischen den magnetischen Pickups und 3 Variax-Bänken um. Damit ergeben sich 3x5=15 Modelle für die Variax, was mir Live für die "alternate tunings" vollkommen ausreicht.
Ein 2x250k – Stereopot funktioniert als Tonregler – eine Ebene für die magnetischen Pickups, die zweite für die Variax.
Die 6 Piezo-Pickup-Signale werden parallel zur Variax über 6 Koppelkondensatoren auch an den Ghost-Hexpander Preamp geführt. Allerdings ist nur wahlweiser Betrieb von Variax ODER GK-Ausgang möglich, weil sich die beiden Systeme bei Parallelbetrieb (d.h. wenn beide Versorgungsspannungen anliegen) leider merklich gegenseitig beeinflussen. Aber zwei virtuelle Gitarrensysteme parallel zu betreiben, hatte ich sowieso nicht geplant.
Ein Mini-Kippschalter funktioniert wie der up/down-switch des GK-Systems (z.B. zum Patchwechsel über MIDI). Der zweite Kippschalter schaltet zwischen Gitarren- und Synthesizer-Signal um. In der Mittelstellung hört man dann beide Signale.
Ein Pot für das MIDI-Volume-Signal wurde aus Platzgründen vorne am Korpus untergebracht. Eine grüne LED zeigt den Variax-Betrieb an, eine rote den Roland-GK-Modus.
Die Einspeisung der Versorgungsspannungen erfolgt getrennt für die Variax-Elektronik über das übliche Stereo-Klinkenkabel (9 V DC/ max. 200mA) und für das GK-System über den 13-poligen Stecker (+/- 7V DC).
Natürlich kann die Gitarre auch mit einem Mono-Klinkenkabel komplett ohne Stromversorgung als rein passive Strat verwendet werden. Dabei läuft das Gitarrensignal über keinen aktiven elektronischen Bauteil und damit klingt die Strat auch wirklich nach Strat….
Insgesamt habe ich etwa 150 Arbeitsstunden und rund 1500.- Euro in das Projekt gesteckt. Dafür habe ich jetzt endlich meine eierlegende Wollmilch-ReitSau-Universal-Gitarre... Und dabei sieht sie auf den ersten Blick fast wie eine "normale" Strat aus! Schön, nicht?
Einige Kleinigkeiten werden noch perfektioniert, aber im Großen und Ganzen funktioniert die Gitarre schon genau so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Demnächst werde ich auch einige Klangbeispiele ins Web stellen, obwohl ich von all diesen YouTube-Soundbeispielen eigentlich nix halte...
Technische Details für Spezialisten und Insider:
Schaltplan
Stückliste mit Kosten
ERGÄNZUNG:
2013 wurde der Warmoth-Hals von mir gegen einen etwas schmäleren und lackierten Hals von Rockinger getauscht, der mir allerdings im Halsprofil etwas zu dick war. Deswegen wurde er zuerst mit einem Dreieckschleifer mit 80er-Papier und dann mit der Hand mit 120er-Schleifpapier auf der Rückseite um ca. 2 mm dünner geschliffen. Nachdem ich vorher die Gitarre sorgfältig verpackt hatte und nicht einmal die Saiten abnehmen musste, war das eine Arbeit von einer halben Stunde. Die Bilder unten zeigen den abgeschliffenen Hals noch unlackiert. Das Feeling gefällt mir aber jetzt so gut, dass ich ihn wahrscheinlich gar nicht wieder lackieren, sondern nur ölen werde.